ACHTSAM MORDEN
Karsten Dusse. Bearbeitung von Bernd Schmidt
ACHTSAM MORDEN
Komödie.
Premiere | Donnerstag, 19. Dezember 2024
Vorstellungsdauer | 2h 20 min. | Eine Pause
© Laura Ritter
Es läuft nicht gut für Björn Diemel. Als erfolgreicher Strafverteidiger und Workaholic hat er einen ganz schön stressigen Alltag und zu wenig Zeit für seine Familie. Seine Frau schickt ihn auf ein Achtsamkeits-Seminar, um die Ehe zu retten, sich als guter Vater zu beweisen und sein Leben neu zu ordnen. Schnell wird er zum Musterschüler seines Therapeuten, der alles tut, um Björns Work-Life-Balance wiederherzustellen. Davon profitiert nicht nur die Familie des Anwalts. Unerwarteter Weise gelingt es Björn auch im beruflichen Alltag immer mehr, tiefenentspannt zu bleiben. Als einer seiner Mandanten, der brutale Mafiaboss Dragan, Probleme macht, findet er einen unkonventionellen Weg, diese Probleme aus der Welt zu schaffen – immer bemüht, die rasante Geschichte nach allen Regeln der Achtsamkeit zu entschleunigen. Ein Mordsvergnügen.
Autor Karsten Dusse ist selbst Jurist. Bereits neben seinem Studium gewann er als leitender Autor mit Ladykracher den Deutschen Fernsehpreis und den Deutschen Comedy-Preis. Auch war er für den Grimme-Preis nominiert.
Inszenierung | Tanja Weidner
Bühne_Kostüme | Annette Wolf
Dramaturgie | Laura Ritter
Besetzung | Florian Bender | Gregor Eckert | Ivana Langmajer
Trailer
Pressestimmen
Juristen werden ja immer gebraucht. Wenn nicht im Dienste der Wahrheitsfindung vor Gericht oder bei privaten Scharmützeln, so doch oft genug als Helden skurriler Geschichten in Büchern, auf Bildschirmen oder Leinwänden. Wo vor allem schneidige Anwälte mit cleveren Tricks und großem Auftritt agieren: „Einspruch, Euer Ehren!“
Björn Diemel ist ein solcher Typ. Ein trickreicher Advokat im seriösen Dreiteiler, dessen Einsatz für zweifelhafte Klienten der Kanzlei viel Geld einbringt. Wenn der Schauspieler Gregor Eckert von der Bühne des Wolfgang-Borchert-Theaters herab auf die Zuhörer einredet, legt er eine forcierte Schnoddrigkeit an den Tag, die bisweilen an Edgar-Wallace-Legende Heinz Drache erinnert. Doch mit dem erzwungenen Versuch, durch ein Achtsamkeitstraining dem Stress zwischen Job und Familie zu entgehen, fangen die Probleme erst richtig an. Zweimal muss er anklingeln, um sich von einem sanften Trainer belehren zu lassen – Florian Bender spielt diesen Joschka Breitner mit pantoffeligem Charme. Doch auch auf der anderen Seite warten schon Mafioso Dragan (ebenfalls Bender) mit mörderischen Problemen und die ungehaltene Gattin Katharina mit Tochter Emily, beide beherzt verkörpert von der Dritten im Darstellerbund, Ivana Langmajer. Und im Bestreben, Achtsamkeit mit dem nötigen Multitasking zu verbinden, lässt sich Diemel auf grotesk-gefährliche Spiele ein.
Intendantin Tanja Weidner hat den Roman des Juristen Karsten Dusse in der Dramenfassung Bernd Schmidts auf die Bühne gebracht: Diese Version verquirlt das Krimi-Personal zu einem Terzett von Hauptdarsteller und zwei Schauspielern in wechselnden Rollen. Die Regisseurin lässt sich nicht lumpen, was den schrillen Humor der Bühnenfassung betrifft: Während Gregor Eckert zwei Stunden lang (plus Pause) mit den Wortkaskaden des erzählenden Anwalts brilliert – er muss nur kurz mal die Rolle wechseln -, stürzen sich Ivana Langmajer und Florian Bender geradezu inbrünstig in das Kaleidoskop von zumeist osteuropäischen Akzenten, Kinder- und Erwachsenenrollen sowie Figuren zwischen Kommissarin und Mafia-„Officer“. Das ist definitiv kein filigranes Kammerspiel, sondern deftige Komödiantik, deren bewusste Albereien einzelne Zuschauer zu enthemmten Lachsalven treiben: Sie übertönen schon mal die Dialoge.
Die Regisseurin hat sich von Ausstatterin Annette Wolf ein putziges Peugeot-Cabrio auf drehbarer Scheibe als wesentliches Bühnenbild bereitstellen lassen, ergänzt lediglich durch farbige oder kurze filmische Hintergrund-Projektionen. Dieser „Dienstwagen“ Björn Diemels birgt die besonderen Vorzüge eines großen Kofferraums, in dem sich ein Mensch verstecken lässt, und eines gleichermaßen entrümpelten Motorraums, in dem sich mit der Autobatterie feine Folterszenen inszenieren lassen. Oh ja, der schwarze Humor des Buches findet natürlich auch seinen Weg auf die Bühne des Wolfgang-Borchert-Theaters. Doch er erscheint familienfreundlich gemildert. Und dass die eigenartigen Verstrickungen der anwaltlichen Tricktour zwischen Kindergarten und Bordell sowie der Sinn mancher Nebenfiguren im Reigen des Ulks eher nebensächlich erscheinen, wird vom Premierenpublikum ohne Einspruch akzeptiert: Großer Applaus. [Westfälische Nachrichten]
Wie ein Mantra wabert der Begriff „Awareness" oder "Achtsamkeit" mittlerweile durch viele Bereiche unseres Lebens. Bewusst sollen wir handeln im Umgang mit anderen Menschen, respektvoll und wertschätzend. Gelingt das nicht ganz - aus Versehen oder absichtlich - gibt es Awareness-Teams, die uns auf den richtigen Weg bringen. Was aber ist, wenn das zu gut gelingt, wenn ein Awareness-Guru nahelegt, dass ein Mord genau die wertschätzende Handlung ist, die aus einer Situation heraus das Richtige ist? Das muss jedenfalls Anwalt Björn Diemel nach einem Achtsamkeits-Seminar folgern und setzt den Mord an seinem Mandanten folgerichtig und mit größter Selbstverständlichkeit um. Gut, der war Teil des organisierten Verbrechens, aber das absolute Gefühl der Unschuld durch Verinnerlichung der Achtsamkeitsprinzipien durch Diemel macht zuerst sprachlos und löst dann reichlich Heiterkeit aus.
Der Bedarf daran scheint groß zu sein, denn Autor Karsten Dusse hat bereits fünf Bücher der Reihe Achtsam morden vollendet und Bernd Schmidt aus dem ersten eine Bühnenfassung destilliert. Und am Schluss führt das Vorgehen auch noch zum Happy-End. Statt eines Edel-Bordells entsteht eine Kindertagesstätte, denn der Rechtsanwalt gestaltet die Mafia-Geschäfte um. Einige Erziehungsberechtigte werden in punkto Kinderbetreuung massiver Probleme entbunden. Der Weg des achtsamen Mordens ist ganz offensichtlich ein vielversprechender.
Gregor Eckert als achtsamer Racheengel und Ivana Langmajer und Florian Bender in unendlich vielen kleinen Rollen mischen das Geschehen richtig auf, sorgen für Turbulenzen im eh' schon wilden Spiel. Besonders Bender als Awareness-Prediger sorgt mit seinen Theorien für viel Spaß. Er überzeugt aber auch durch blitzschnelle Rollenwechsel in Turbo-Speed, verleiht jeder Figur viel Individualität und kreiert dadurch viele Heiterkeitsspitzen. Das gibt dem Abend enorm Drive.
Regisseurin Tanja Weidner agiert in einem ungewöhnlichen Bühnenbild: Ein petrolfarbenes Peugeot-Cabriolet steht auf der Bühne, die ansonsten leer ist. Das ist auf den ersten Blick einfach nur chic. Und man möchte da gleich für eine Spritztour einsteigen. Weidner verleiht dem Auto eine lässige Selbstverständlichkeit - so als könne nichts anderes Mittelpunkt der Inszenierung sein. Ganz locker fahren diverse Personen damit, sind Beifahrer oder werden als toter Kollateralschaden transportiert. So wird das Vehikel zum Sinnbild von Awareness, deren Folgen nicht immer erwartungsgemäß ausfallen. Jedes Verschieben, jede Neubesetzung der Sitze führt zu einem anderen Ergebnis. Das machen Tanja Weidner und ihr Team deutlich.
Achtsam morden ist ein Stück des leisen Humors. Große Lachsalven bleiben deshalb auch aus. Das ist wohltuend in einer Zeit, in der nur Grelles, Schockierendes im Mittelpunkt steht und Menschen erreicht. Hier genügen ein paar Bemerkungen oder Gesten, verständnisvolles Lächeln zu erwecken.
Mag das Cabrio sich auch ein paar Runden zu viel auf der Bühne drehen: Achtsam morden ist ist ein Stück zum Genießen - vor oder nach der Silvester-Böllerei. [theaterpur]
„Achtsam morden“ – das Erfolgsstück nach dem gleichnamigen Bestseller von Karsten Dusse – hatte gerade im Wolfgang Borchert Theater Münster seine gefeierte Premiere. Es war die letzte Premiere in diesem Jahr. Intendantin Tanja Weidner hat es sich nicht nehmen lassen, die rabenschwarze Komödie von Bernd Schmidt selbst auf die Bühne zu bringen, weiss sie doch ein exzellentes und überaus spielfreudiges Ensemble hinter sich, das bereit ist dem Affen Zucker zu geben.
Selbst am Borchert Theater hat man noch nie so viele sekundenschnelle und frappierende Rollenwechsel gesehen, wiewohl die inzwischen als ein Markenzeichen des Theaters bekannt sind. Mit nur wenigen Requisiten und verrückten Kostümwechseln (erstaunlich, was im winzigen Kofferraum des putzigen Peugeot-Cabrios alles möglich ist) gelingt dieses „Bäumchen wechsel dich“ mit Bravour. Rein in die Kiste – raus aus der Kiste.
Hinzu kommen das Spiel mit unterschiedlichen Dialekten und die überzeichnete Körpersprache, die Ivana Langmajer und Florian Bender leidlich ausnutzen, um insgesamt in 25 verschiedene Rollen zu schlüpfen. Zugegeben: Das muss man alles nicht ernstnehmen, selbst die ironischen Anspielungen auf den Hype für Achtsamkeitstrainings und die tüddelige Atmosphäre in einer KITA liegen im Trend und passen voll in die Spaßkultur der aktuellen Comedy-Scene. Es ist witzig und unterhaltsam.
Was beim Zuschauer zu einem Gedankenkarussell führen soll, wird von Gregor Eckert als Anwalt Björn Diemel und seinen beiden Mitspielern mit teuflischer Freude zelebriert und mit einer beeindruckenden Präzision ausgespielt. Alle Figuren agieren als Stereotypen. Sie sind bis an die Schmerzgrenze überzeichnet. Kein noch so verdrehter Sprachwitz, kein Gag und keine Pointe werden liegengelassen. Tanja Weidner hat das Ganze ohne jeden Firlefanz präzise, temporeich und höchst unterhaltsam inszeniert. Jeder Satz sitzt wie ein Hieb auf die Zwölf; nichts an diesen Dialogen ist zu viel oder gar überflüssig, was allerdings den Lauf der Story bis an seine Verständlichkeitsgrenze ausreizt.
Wer den Roman von Karsten Dusse oder mindestens die aktuelle TV-Serie noch nicht kennt, hat durchaus seine Schwierigkeiten den verworrenen Geschehnissen zu folgen und die Vielzahl der teilweise derben Pointen zu genießen. Das tut aber dem Mordsspass keinen Abbruch. „Achtsam morden“ ist eine geniale Tour de Force und ein Augenschmaus für Freunde der Schauspielkunst. Unterstützt wird dieser rasante Rollenwechsel durch das außergewöhnliche Bühnenbild von Annette Wolf: Ein Peugeot Cabrio steht im Zentrum und wird von Bühnen- und Kostümbildnerin Annette Wolf geschickt in die Szenen eingebunden. Mehr braucht es als Bühnenbild oder Deko nicht.
Der Autor des Romans Karsten Dusse ist selbst Jurist. Bereits neben seinem Studium gewann er als leitender Autor mit Ladykracher den Deutschen Fernsehpreis und den Deutschen Comedy-Preis. Auch war er für den Grimme-Preis nominiert. Dusse hat also ein Faible und Gespür für aberwitzige Szenen, die er in seinem Roman genüsslich und atmosphärisch dicht ausbreitet. Auf der Theaterbühne werden die Geschehnisse durch den Anwalt in einer Art Rückblende rekapituliert. Die Erinnerungen sind die Brücken zwischen den bizarren Szenen auf der Bühne und den pointierten Dialogen.
Der überaus erfolgreiche Anwalt und Strafverteidiger Björn Diemel ist an seine Grenzen gekommen: Er ist ein Workaholic. Job und Privatleben laufen diametral auseinander. Wegen seiner durchaus anspruchsvollen Mandanten hat er immer weniger Zeit für seine Frau und seine Tochter. Die Work-Life-Balance ist komplett aus den Fugen. Wenn sein prominentester Klient, in Person von Mafioso Dragan pfeift, muss Björn Diemel springen – nicht allein wegen des lieben Geldes, sondern auch wegen der angedrohten Konsequenzen. Dragan weiß sich durchzusetzen.
Diemels Frau Katharina schickt ihren Mann zu Joschka Breitner, einen angesehenen Achtsamkeitscoach. Dort soll er an sich arbeiten, um die Beziehung und letztlich auch sein Leben zu retten. Mit ein paar flotten Sprüchen und esoterischen Phrasen gelingt es ihm Björn Diemel tatsächlich zurück auf den Teppich zu bringen. Danach denkt er vor allem an sich selber. In stressigen Momenten heißt es nun: Erst einmal tief durchatmen, Abwarten und Tee trinken.
Bevor Björn Diemel mit seiner Tochter Emily im Wochenendhaus seines Mandanten ein entspanntes Wochenende am See verbringen kann, spitzen sich die Ereignisse zu: Diemel muss mit Dragan reden, der wegen eines bizarren Mordes von der Polizei gesucht wird. Als die Polizei anrückt, muss Diemel seinen Mandanten heimlich aus der Kanzlei schleusen. Dragan versteckt sich im Kofferraum. Doch der wird ihm zum Verhängnis, denn während des sommerlichen und heißen See-Wochenendes mit seiner Tochter vergisst der Anwalt glatt, dass Dragan in seinem Kofferraum liegt. Nach zwei Tagen Auszeit ist Björn Diemel tiefenentspannt – und Dragan tot.
„Ich musste erst 48 Jahre alt werden, um meinen ersten Mord zu begehen“, bekennt der Anwalt, der ab diesem Moment unter Druck ist und sich allerhand ausdenken muss, um nicht selber bei der Polizei, bei den Komplizen und Konkurrenten in Verdacht zu geraten. Im Strudel der aberwitzigen Ereignisse schlüpft Diemel in die Haut seines toten Mandanten und übernimmt als Dragan die Szenerie. Ab da pflastern Leichen seinen Weg und er gerät vom Regen in die Traufe.
Tanja Weidner erläutert ihr Regiekonzept: „Der Anwalt, der beginnt, achtsam zu morden, ist eigentlich ein ganz netter Kerl. Er möchte Gutes in die Welt bringen und Zeit mit seiner Familie verbringen. Doch die Gesellschaft zwingt ihn, das Recht zu beugen, um seine Verbrechermandanten durchzuboxen – ein Spagat, der ihn in einen inneren Zwiespalt stürzt. Vor der Brecht’schen Folie bedeutet das: Wir wären alle gerne gut und moralisch integer, aber die Umstände lassen es oft nicht zu. Achtsamkeit wird so zur Antwort auf den Druck, dem wir in einer komplexen Welt ausgesetzt sind.“
„Achtsam morden“ verspricht einen turbulenten und höchst unterhaltsamen Theaterabend. Kein Wunder, dass die ersten Vorstellungen im Nullkommanix ausverkauft sind. [Westfalium]
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